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Dienstag, 3. Mai 2022

Katja Gloger: Putins Welt

 

Eine Biografie über Putin passt ins aktuelle Zeitgeschehen und nicht nur ins aktuelle. Das Buch von Katja Gloger erschien 2017, ca. zwei Jahre nachdem die Krim von Russland annektiert wurde und war damals schon passend zum Zeitgeschehen – Anfang der 2020er Jahre mit Beginn der Ukrainekrise um so mehr. Wie es der Zufall wollte, hatte ich ihr Buch zu Beginn des Jahres 2022 fertig gelesen und im März begann Putin in der Ukraine mit seiner „militärischen Spezialoperation“.


Katja Gloger gilt als echte Insiderin, hatte sie doch seltenen persönlichen Zugang zu Putin und ihn schon mehrmals interviewt. Sie arbeitete als Russland-Korrespondentin für den Stern und berichtete aus Moskau. Zudem wurde sie Vorstandsvorsitzende der deutschen Sektion der Organisation „Reporter ohne Grenzen“. Insofern gilt sie als kompetente Kennerin der russischen Politik im Allgemeinen und von Vladimir Putin im Speziellen.

Ihr Buch ist aber nicht nur als Psychogramm von Putin zu verstehen, sondern auch eine geschichtliche Exkursion rund um die Person von Putin, teilweise zurück bis in die Zeit von Katharina der Großen. Wenn es so etwas wie eine „russische Seele“ gibt, dann ist diese nur im geschichtlichen Kontext zu verstehen, so Katja Gloger. Wer Putin verstehen möchte, muss auch das Selbstverständnis der russischen Seele verstehen.

Und so führt sie uns mal in die tiefere Vergangenheit Russlands, mal in die Kindheit und den Werdegang von Putin, angefangen von seiner Jugend über den Zusammenbruch der Sowjetunion bis zur Annexion der Krim, wo ihr Buch nach einem Streifzug von ca. 400 Seiten zeitlich endet. Letztlich geht es nicht nur um die Person Putin, sondern um das „System Putin“, den Politapparat, den er nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion aufgebaut hat, um das destabilisierte Russland vor dem Zusammenbruch zu bewahren.

Gleichwohl sie sich als „Putin-Versteherin“ zeigt, ist sie dies auf eine ausgewogene Art und Weise: Weder wird dämonisiert noch wird mystifiziert. Ihre Ausgewogenheit zieht sich auf eine objektive und nüchterne Weise durch das Buch. Hin und wieder schimmert subtil polemisch und unscheinbar eine kritische Nuance durch ihren Schreibstil, aber nicht zu dick aufgetragen und vornehm zurückhaltend. Wenn es kritische Töne zu lesen gibt, dann trifft dies gleichsam alle Seiten: Den Osten wie auch den Westen. Ihr Buch ist auch ein Streifzug durch die Geschichte vertaner Chancen zwischen Russland und dem Westen. Und so war es schon immer mit dem Blick in die Geschichte: Das Künftige mögen wir nicht vorherzusagen, aber mit Blick auf die vergangenen Ereignisse verstehen wir die Geschehnisse der Gegenwart.

Auch wenn ihr Buch bereits 2017 erschien, hat es Angesichts des beginnenden Angriffskrieges von Russland gegen die Ukraine im Jahr 2022 immer noch eine erstaunliche Aktualität. Wer sich also für das aktuelle Zeitgeschehen in der Ukraine und in Russland interessiert, kommt an diesem sachlich und fachlich exzellentem Buch nicht vorbei, welches die Augen für Aspekte und Perspektiven dieses Konflikts öffnen kann, die vorher nicht wahrgenommen wurden.

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