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Dienstag, 9. Mai 2023

Jerry Hopkins: Jim Morrison - Der König der Eidechsen


Als ich dieses Buch das erste Mal in die Hand nahm, spürte ich ein Gefühl der Vertrautheit, das an den Fingerspitzen auf mich übersprang, gleichsam einer leichten statischen Aufladung des Buchcovers. Als alter Fan der Doors war mir der Autor bekannt und vertraut. Jerry Hopkins war der Co-Autor der ersten Jim Morrison Biographie, die ich als Teenager zum ersten Mal gelesen hatte. “Keiner kommt hier lebend raus", beeindruckte mich tief und alles, was beeindruckt, beeinflusst auch. Es war damals wie der Schlüssel zu einer Tür, die sich weit öffnete und das Innere einer geheimen Welt offenbarte, in der Jim Morrison und die Doors residierten. Ich las es wieder und immer wieder und saugte jedes Detail auf, das mir beim vorherigen Lesen nicht aufgefallen war.

Über dreißig Jahre später sagen mir meine All-Time-Last.fm-Statistiken, dass meine am häufigsten gehörten Stücke von den Doors stammen. Die Leidenschaft blieb ungebrochen. Es gab viele Musikgruppen, an denen ich mich satt gehört hatte. Aber bei den Doors war das anders. Jerry Hopkins schrieb in “Keiner kommt hier lebend raus” sinngemäß, dass die Doors eine zeitlose Musik machen, die nicht altert, aber über Generationen hinweg wieder erkannt wird, wie Jahrmarktsmusik, die man schon als Kind gehört hat und die einem als Erwachsenen immer noch vertraut vorkommt. So geht es mir mit den Doors immer noch und es fühlt sich nicht danach an, als ob sich das jemals wieder ändern wird.

Nun hielt ich diese zweite Biographie von Jerry Hopkins in den Händen und war elektrisiert, aber auch skeptisch. Wir leben im Zeitalter von Youtube und ich habe mich nahezu satt gesehen an Dokus und Biographien über die Doors und Jim Morrison. Was könnte mir Jerry Hopkins noch Neues vermitteln? Doch er konnte.

Jerry Hopkins hat mehr als 1.000 Zeitschriftenartikel und 39 Bücher veröffentlicht, darunter mehrere internationale Bestseller – darunter den Kultklassiker „No One Here Gets Out Alive“. Diese Biografie von Jim Morrison war 1980 ein Bestseller Nr. 1 in der New York Times (sie blieb neun Monate auf dieser Liste) und kehrte 1991 auf Platz 2 zurück, als sie eine Hauptquelle für Oliver Stones Film The Doors war . Es gibt mehr als vier Millionen gedruckte Exemplare.


Jerry Hopkins 2017, Nana Plaza / Photo: Wichan Charoenkiatpakul


Bislang war mir nicht bewusst, dass Jerry Hopkins persönlich mit Jim Morrison zu tun hatte. In seiner ersten Biografie (die er zusammen mit Daniel Sugerman schrieb), wurde das Leben von Jim Morrison eher linear von der Kindheit bis zum Tod beschrieben, wobei sich die Autoren aus der Storyline heraus nahmen. Doch hier verhält es sich etwas anders. Das Buch besteht aus zwei Teilen: Der Biographie und den Interviews mit Jim Morrison. In beiden Teilen hatte Jerry Hopkins mit Jim Morrison mehrmals einen persönlichen Kontakt. Hopkins beginnt sein Buch mit den Worten, dass er Jim Morrison das erste Mal 1966 im “London Fog” gesehen hat, einem kleinen Nachtclub in Los Angeles. Einige Passagen des Buches klingen nach Erfahrungen aus erster Hand, machen aber nur einen kleinen Teil der Biografie aus. Erstaunlich sind auch einige Informationen über seinen ehemaligen Co-Autor Daniel Sugerman und dass dieser nach Morrisons Tod mit Morrisons Freundin Pamela - vorsichtig ausgedrückt - abhing.


"Jede Generation will neue Symbole, neue Leute, neue Namen - sie wollen sich von der vorhergehenden Generation absetzen; sie werden es nicht Rock nennen.."
Jim Morrison, Frühjahr 1971
in einem Interview mit Ben Fong-Torres für das Rolling Stone Magazin


Das macht diese Biografie aus: Einige Informationen sind aus erster Hand und wenn nicht, dann gut recherchiert und mit Quellenangaben. Von Gerüchten ist eher weniger die Rede und falls ja, wird dies hervorgehoben. Die Fakten-Orientierung ist nicht zu übersehen.

Die Biographie ist in sechs Lebensabschnitte von Jim Morrison gegliedert: Das Kind, der Student, der Dichter, der Rockstar, der Alkoholiker, der Exilant und zuletzt noch das Kapitel “Sonderbare Szenen in der Goldmine”, welches die Zeit nach Morrisons Tod und die seltsamen Auswüchse nach seinem Ableben zum Thema hat. Letztlich wurde sein Tod kommerzialisiert, so wie es oft üblich ist, wenn Künstler sterben.



Songtext von "Riders On The Storm"
handschriftlich von Jim Morrison (1971)


Jerry Hopkins ist in dieser Biographie faktenorientierter, als er es noch bei “Keiner kommt hier Lebend raus” war. Begegnungen mit Zeitgenossen, Gespräche mit Menschen, die Jim Morrison begegnet sind und Zitate aus seinem Umfeld geben das Gefühl, nahe dran zu sein. Jim Morrison, der Poet, der Rock and Roll Star, der Filmkünstler, aber auch Jim Morrison, das Arschloch und der Widerling - an Ehrlichkeit wird nicht gespart, was die facettenreiche Persönlichkeit von Jim betrifft. Seite für Seite verstärkte sich bei mir der Eindruck, dass Jerry Hopkins mit diesem Buch abgeschlossen hat. Unterstrichen wird dieser Eindruck durch den Subtitel “Die endgültige Biographie”. Es wäre ja auch seltsam gewesen, wenn er noch eine dritte Biographie hinterher geschoben hätte.

Ein interessanter Aspekt dieses Buchs ist die Mystifizierung von Jim Morrisons Tod. Es gibt doch etliche Legenden, die sich darum ranken. Wer sich mit Jim Morrison beschäftigt, kommt nicht umhin von den Spekulationen zu erfahren, dass sein Tod fingiert ist und er (Mr. Mojo Risin') in Anbetracht des bevorstehenden Gerichtsurteils (Stichwort: Miami Konzert 1969) und der drohenden Gefängnisstrafe sich aus dem Staub gemacht hat.


The Doors, 1968 in Frankfurt vor dem Römer


Doch unter den Spekulationen wird ein Schlussstrich gezogen. Jerry Hopkins hatte in der ersten Biographie beide Thesen vertreten und konnte nicht festmachen, was die Wahrheit ist. Deswegen hatte er seinerzeit zwei Versionen des Buches drucken lassen, in einer hatte Jim seinen Tod fingiert und in der anderen ist er wirklich gestorben. Welche Version der Leser in den Hände bekam, wurde dem Zufall überlassen. In dieser zweiten Biographie bezieht Jerry Hopkins eindeutig Stellung: Jim ist gestorben. Gemäß aller Faktenlagen und den Recherchen ist ziemlich gut rekonstruiert worden, was in jener Nacht geschah, als Jim starb. Sicher, einige Restzweifel am Wahrheitsgehalt bleiben, aber das betrifft nur Details. Letztlich ist die Botschaft: Jim ist tot.



"Ich bin nicht verrückt.
    Mich interessiert
        die Freiheit.
            Viel Glück.
            JMorrison"
Schlussworte in einem Brief an Dave Marsh (Herausgeber der Zeitschrift Cream)
Frühjahr 1971, wenige Monate vor Morrisons Tod


Und so bleibt am Ende des Buches eine gewisse Ernüchterung. Die Biographie ist schonungslos und entmystifiziert. Jim wird als der Mensch dargestellt, der er war, mit all seinen Fehlern, aber auch mit all seinen Talenten und Besonderheiten, ohne allzu dick aufgetragene Beweihräucherung. Letztlich war er ein besonderer und herausragender Mensch mit Fehlern. Was sonst.

Sicherlich, das Beschäftigen mit Jim Morrison ist in den fortschreitenden 2000er Jahren eine spezielle Sache. Ich kann jedem Fan von den Doors dieses Buch nur nahelegen. Mir persönlich, als jahrelanger treuer Fan von den Doors, hat das Lesen dieser Biographie einen gewissen Frieden gebracht. Irgendwie hat es dieses Buch geschafft, einen mentalen Schlusspunkt zu setzen. Jetzt ruht Jim in Frieden, in mir und auf dem Pére Lachaise.

The End

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