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Donnerstag, 19. September 2024

Patricia Kennealy Morrison: Strange Days - Mein Leben mit Jim Morrison

Patricia Kennealy beschreibt in ihrem autobiographischen Werk ihre Zeit mit Jim Morrison, einem der bekanntesten Poeten und Rock-Stars der 1960er Jahre. Sie war eine von mehreren Partnerinnen von Jim Morrison und mit ihm von 1969 bis 1971 zusammen. Somit erstreckt sich ihr Buch im Wesentlichen über diese zwei Jahre. 

Das Buch beginnt auf dem Zeitstrahl dort, wo es auch endet: Mit dem Tod von Jim Morrison. Auf den ersten Seiten werden wir Zeuge einer herzzerreißenden Szene, als Patricia vor dem frisch zugeschütteten und lieblosen Grab ihres Geliebten steht. Nach einem Transatlantikflug von Amerika nach Paris, vollkommen übermüdet und von Trauer zerfressen, lässt sie uns über einige Seiten hinweg am Trennungsschmerz, der überbordenden Trauer und einem emotionalen Dammbruch teilhaben. Vor dem Liebsten zu stehen, dem die Graberde auf die Brust drückt, in einem schmucklosen Grab mit frisch aufgeschütteter Erde vergraben, ist eine starke Eröffnungsszene des Buches, das den Leser in seiner Offenheit und Dramaturgie sofort in seinen Bann zieht. Und mit dieser Szene öffnet sich ein Tor in das “Damals”, als sie Jim Morrison kennen lernte und die gemeinsame Zeit mit ihm begann. Gleichsam einer Eröffnungsszene in einem Film, in der die Hauptfigur von der Gegenwart in der Ich-Form zur Vergangenheit zurückkehrt, als alles begann. Frei nach Morrison: “Did you have a good world when you died? Enough to base a movie on?”.


Wir kehren ins Jahr 1969 zurück, als Patricia als Journalistin arbeitet und die Doors einen kometenhaften Aufstieg haben. Es ist die Zeit der Blumenkinder, der Hippies, der bewusstseinserweiternden Drogen und der politischen Gegenbewegung des konservativen Amerikas, das sich inmitten des Vietnamkrieges befindet. Die Doors sind avantgardistisch, anders als alle anderen Bands. Geprägt von surrealen und poetischen Songtexten, die meist aus Morrisons Feder stammen. Geprägt durch skandalöse Bühnenauftritte eines dionysischen Morrisons, der oft unter dem Einfluss bewusstseinserweiternder Substanzen das Publikum fasziniert. Seine Texte sind tiefgründig, mehrdeutig und intellektuell geprägt. Die Doors als schillerndes Phänomen, das nicht erklärbar, aber faszinierend ist. Und ein skandalöses Phänomen, es folgen erste Festnahmen auf der Bühne und der Konflikt mit dem konservativen Establishment ist vorprogrammiert.


Patricia bekommt einen Interview-Termin bei Morrison, der sich mit einer Entourage in einem Hotelzimmer eingebunkert hat. Sie weiß, dass sie eine exzentrische Persönlichkeit erwartet, doch als die beiden das erste Mal zum Interview zusammentreffen, springt wortwörtlich der Funke zwischen den beiden über. Sie ist überrascht, dass er Manieren hat, sehr gebildet ist und sich gewählt auszudrücken weiß. Morrison wiederum ist fasziniert von der schlauen Patricia, die ebenfalls sehr gebildet ist und ihm die richtigen Fragen zu stellen weiß, stets in einem kulturellen und literarischen Kontext. Die beiden finden sich als intellektuelle Sparringspartner wieder, die sich literarische Zitate entgegenwerfen. Längst ist aus dem Interview ein intellektueller Austausch geworden, stellenweise ein Diskurs. Morrison ist von der Frau fasziniert, die ihm gegenüber sitzt, die Weichen des Schicksals und für ein Wiedersehen sind somit gestellt. Und für alles Weitere, was das noch folgen wird. Doch ab hier soll nicht zu viel gespoilert werden.

Es geht nicht nur um die Beziehung von Patricia und Jim Morrison.


Patricia nimmt uns auf eine Reise mit, die über die Beziehung mit Morrison hinausgeht. Eine Reise durch die Zeit der kulturellen Gegenbewegung Amerikas. Eine Zeit, in der eine Frau als Journalistin in einer von Männern dominierten Welt auf Widerstände stößt, feministische Aspekte fließen an dieser Stelle  in die Story ein. Und wenn die letzte Seite von Patricias Buch gelesen wurde, dann wird auch klar, dass ihr Buch eine Abrechnung ist. Ein bezeichnendes Momentum ist der Besuch des Woodstock-Festivals. Patricia zeigt kein Verständnis für die verklärten Nachrufe auf dieses Festival. Geprägt von katastrophalen hygienischen Verhältnissen und vollkommen überlaufen, ist es kein Ereignis, an das sie gute Erinnerungen hat. Es ist, als wollte uns Patricia sagen: “Da schaut her, ihr Blumenkinder und Hippies, dieses Schlammloch soll im Nachhinein ein großes Ereignis gewesen sein, während ihr euch berauscht nur noch in gutturaler Primitivsprache unterhalten könnt”.

Es ist auch eine Abrechnung mit der Zeit nach Morrisons Tod.


Zuvorderst mit dem Doors-Film von Oliver Stone. Als Zeitzeugin ist sie mit den vermeintlichen Fakten, die in dem Film gezeigt werden, überhaupt nicht einverstanden. Sie verdammt den Film und damit Oliver Stone, der Jim Morrison nur von einer überstrapazierten Seite zeigt, nämlich als den selbstzerstörischen Morrison, der von Skandal zu Skandal torkelt. Oliver Stone hatte Patricia in die Dreharbeiten eingebunden, doch Vieles vom dem, was sie zu dem Film beigetragen hatte, ist nicht eingeflossen. Und Val Kilmer, der Morrison in dem Film spielte, hatte Patricia als Ex-Partnerin kein einziges Mal zu der Rolle, die er spielte, befragt. Zuletzt macht sie klar, dass ein großer Teil der Szenen in dem Film niemals so stattgefunden haben.


Es ist auch eine Abrechnung mit Pamela, der “kosmischen” Partnerin von Morrison.


Patricia macht aus ihrem Herzen keine Mördergrube und macht die heroinsüchtige Pamela direkt für den Tod von Morrison verantwortlich. Harter posthumer Tobak am Ende des Tages. Und als Alleinerbin von Morrison ging das Urheberrecht von Morrison nach dessen Tod an Pamela über und nach deren Tod (drei Jahre nach Morrisons Tod) an deren Eltern über. Womit das kommerzielle Gefleddere von Morrisons Nachlass erst richtig begann. Nekrokapitalisten, nennt das Patrica in ihrem Buch. 


Und zuletzt ist es eine Abrechnung mit den zahlreichen Morrison-Nachahmern.


Den etlichen selbstzerstörerischen Nachahmern, die sich “in Gedenken an Morrison” mit Drogen und Alkohol zudröhnen, gibt sie den gut gemeinten Ratschlag, sich auch mal mit den anderen Seiten von Morrison zu beschäftigen. Morrison der Poet, Literat und Filmemacher wäre doch auch mal eine interessante Vorbildfunktion. Eine ähnliche Meinung hat sie zu den vielen Doors-Revival-Bands. You know what I mean?



Es ist ein Buch der Abrechnungen, eine Zeitreise durch das Amerika der kulturellen Gegenbewegung und natürlich eine persönliche Verarbeitung der damaligen Zeiten. Seite an Seite mit Morrison durch das Leben zu ziehen, das prägt. Gleichsam eines giftigen aber berauschenden Kusses, den Patricia bekam, hat sich die Zeit ihres darauffolgenden Lebens für immer verändert. In ihrem Buch ist sie schonungslos mit sich selbst, wie auch das am Ende des Buches mit sich selbst geführte Interview zeigt. Für Fans der Doors ist es definitiv eine Quelle für viele neue Informationen und Details aus dem Leben von Jim Morrison. Die Gemeinde der Doors-Fans ist gespaltener Meinung, was die Darstellungen von Patrica betrifft. Ihr Buch polarisiert, viele tun ihr Buch als Wunschdenken ab, dass sie die einzigen Ehefrau von Morrison gewesen ist. Doch wir werden es nie erfahren, wie es um die Wahrheit bestellt ist, ist sie doch nur wenige Tage nach Morrisons 25. Todestag gestorben und wird nie wieder für ein Gespräch zur Verfügung stehen. Da hilft es nur dieses fabelhafte und inspirierende Buch zu lesen und sich eine eigene Meinung zu bilden.


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